Noch sind wir beim Taekwondo, das in Deutschland eine absolute Randsportart ist, Lichtjahre von Verhältnissen wie bei der Fußball-Bundesliga entfernt. Aber trotzdem ist es ganz sicher eine Nachricht wert, wenn ein in Taekwondo-Kreisen deutschlandweit ja sogar weltweit bekannter Spitzensportler seinen Verein wechselt.
Im Fußball übertreffen sich die großen Zeitungen während des alljährlichen Wechselfiebers bei jedem Transfer gegenseitig mit Riesenschlagzeilen, in unserer Sportart ist aber die lebenslange Treue zum Heimatverein der Normalfall. Dennoch erfordern manchmal die Lebensumstände eine Veränderung. So wie in Daniel Manz’ Fall.
Für den Modellathleten, auf den die viel gebrauchte Redewendung „er lebt für seinen Sport” perfekt zutrifft, haben sich seit seiner Hochzeit mit der ebenso Taekwondo-verrückten Sümeyye Güleç die Prioritäten immer mehr in Richtung Familie verschoben. Die beiden Olympioniken haben es mit einem Kind noch sehr gut geschafft, ihr Sportlerleben annähernd unverändert fortzuführen, müssen aber seit der Geburt ihrer Zwillinge im April dieses Jahres ihren Alltag vermehrt an den Bedürfnissen der Kleinen ausrichten.
Trotzdem haben sie noch den Willen und die Fähigkeiten, sich mit den besten Taekwondo-Wettkämpfern der Welt zu messen und werden ein weiteres Mal mit aller Kraft die Mission Olympia angehen. Sümeyye hat nur fünf Monate nach der Entbindung bereits wieder zu trainieren begonnen und möchte bald wieder auf die internationale Turnierbühne zurückkehren.
Daniel kämpft darum, sich seinen in vielen Jahren erarbeiteten Platz unter den besten der Welt zurückzuerobern, den er durch eine neue Regelung verloren hat, nach der Weltranglistenpunkte, die in anderen Gewichtsklassen erkämpft wurden, abzugsfrei in die für einen möglichen Olympiastart gewählte Gewichtsklasse übertragen werden, wobei die von Daniel offenbar äußerst beliebt ist. Unter diesen Umständen ist also beim Training extreme Flexibilität gefragt, zeitlich und örtlich.
In den vergangenen Jahren war es schon immer eine Selbstverständlichkeit, dass Daniel bei TaeKwonDo Özer mittrainierte, wenn sie bei Sümeyyes Eltern zu Besuch waren. Und zwar nicht nur da Daniel zur Familie gehört, sondern auch weil bei uns – egal wie es bei anderen Vereinen gehandhabt wird – Gäste immer willkommen sind.
In den letzten Monaten war es zum Normalfall geworden, dass Daniel sich in den Räumen von TKD Özer auf seine Turnierteilnahmen vorbereitete – zu den Zeiten, die ihm am besten passten, und so oft er wollte. In Tahir, mit dem er sehr gut harmoniert, hat er einen Trainingspartner gefunden, der ihn und den er zu Höchstleistungen antreibt, wie sich auch an der beeindruckenden Liste der gemeinsamen Erfolge in diesem Jahr zeigt.
Aber auch wenn Tahir nicht da ist, findet Daniel bei TaeKwonDo Özer immer hervorragende Trainingsbedingungen und Sparringspartner vor.
So reifte in ihm schließlich ein Entschluss, der ihm gewiss nicht leicht fiel, nämlich seine sportliche Heimat, den BSV Friedrichshafen, sowie seinen langjährigen Wegbegleiter und Mentor Markus Kohlöffel zu verlassen. Daniel legt Wert darauf, dass er sich im Guten von ihm trennt, auch wenn ein solcher Schritt nicht ganz ohne unangenehme Begleiterscheinungen vonstatten gehen mag.
Damit wechselt Daniel auch zurück nach Bayern, woher er ursprünglich stammt.
Im Alter von etwa 13 Jahren hatte der gebürtige Allgäuer, der damals, wie er heute selber sagt, „total schlecht” war, bei der Teilnahme an Georg Streifs Power Camp im kroatischen Poreč den Referenten Markus Kohlöffel kennen gelernt, der ihn mit seiner analytisch-wissenschaftlichen und damit völlig neuartigen Herangehensweise an den Taekwondo-Sport nicht nur beeindruckte, sonder regelrecht begeisterte. Daniel setzte anschließend alles daran, in Kohlöffels Friedrichshafener Taekwondo-Internat aufgenommen zu werden, was ihm, als ein anderer Sportler absprang, schließlich auch gelang.
Die Zeit mit Markus Kohlöffel war dann für beide sehr fruchtbar. Kohlöffel prägte Daniels sportliche und menschliche Entwicklung und Daniel wurde zu Kohlöffels erfolgreichstem Schüler. In der U18-Jugend gewann er EM- und WM-Silber, mit 19 wurde er zum ersten Mal Militär-Weltmeister.
2008 holte er sich mit 20 Jahren Silber bei der Militär-WM, Bronze bei der EM und Silber beim europäischen Olympia-Qualifikationsturnier.
Bei den Olympischen Spielen in Peking erzielte er anschließend mit seinem 5. Platz das beste Ergebnis der vier deutschen Teilnehmer im Taekwondo.
2010 folgte der zweite Militär-Weltmeister-Titel.
Die enge Beziehung der beiden zeigte sich auch daran, dass Markus Kohlöffel Daniels Trauzeuge bei der Eheschließung mit Sümeyye war.
Mit Daniels zunehmender Prioritäten-Verlagerung wurde aber auch das Verhältnis zu Markus Kohlöffel weniger eng. Dieser konnte ihm die Flexibilität und den individuellen Extra-Service, den Daniel immer mehr brauchte, nicht bieten, da er sich um die vielfältigen Aufgaben in seinem Taekwondo Competence Center (TCC) und seinen Job als Cheftrainer des Schwedischen Taekwondo Verbandes kümmern musste. Außerdem blieb bei Daniel der gewohnte sportliche Erfolg zusehends aus.
Nachdem sich seine Wettkampf-Vorbereitungen auf TKD Özer konzentrierten, den Verein seiner Ehefrau Sümeyye, der zwar deutlich kleiner und unorganisierter war, aber gerade dadurch extrem flexibel und individuell auf Daniels Bedürfnisse eingehen konnte, kamen auch die Erfolge zurück.
Die Verlagerung seines sportlichen Lebensmittelpunktes nach Nürnberg, bedeutet aber nicht, dass Daniel seine Wahlheimat Friedrichshafen ganz aufgeben will. Er möchte mit der Stadt am Bodensee weiter verbunden bleiben und würde gerne seine Kinder dort aufwachsen sehen.
Dank seiner vorbildlichen Einstellung könnte Daniel die meisten Trainingseinheiten mit telefonischer Beratung auch ortsunabhängig durchführen. Einige Wochen vor wichtigen Turnieren müsste er sich dann aber in Nürnberg vorbereiten.
Ob nun ein Umzug ansteht oder nicht, die junge Familie wird den Spagat zwischen Sport und Privatleben bewältigen, so wie sie es schon in der Vergangenheit geschafft hat.
Mit seiner Einstellung, seinem Ehrgeiz und seiner Disziplin ist Daniel ein Vorbild für jeden Nachwuchssportler.
Wir freuen uns auf die gemeinsame sportliche Zukunft mit ihm und sind davon überzeugt, dass nicht nur Daniel, sondern auch wir von unserer noch engeren Zusammenarbeit profitieren werden.
(11.10.2013 Alfred Castaño)