Als Ergänzung zu den regulären Olympischen Spielen beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Jahre 2007 die Einführung einer Jugendversion des weltweit größten und erfolgreichsten Multisportereignisses. Organisation und Ablauf (Aufteilung in Sommer- und Winterspiele, Durchführung alle vier Jahre, Austragung der Sommerspiele im August, Unterbringung der Athleten im Olympischen Dorf, vorgesehene Sportarten) sollten sich weitgehend am erwachsenen Vorbild orientieren. Zugelassen wurden Sportler von 15 bis 17 Jahren (U18). Als Teilnahmevoraussetzung in der Sportart Taekwondo wurde ein der Einfachheit halber zeitlich und örtlich an die Jugend-Weltmeisterschaften angegliedertes Welt-Qualifikationsturnier festgelegt.
2010 wurden dann die ersten Olympischen Jugend-Sommerspiele auf dem Insel-Stadtstaat Singapur durchgeführt. Als Austragungsort der zweiten Olympischen Jugend-Sommerspiele im Jahr 2014 wurde die chinesische Großstadt Nanjing gewählt. In der mit über fünf Millionen Einwohnern zu den größten Städten Chinas zählenden Metropole am Mündungsdelta des Jangtsekiang in den Pazifischen Ozean herrschen in den Sommermonaten ähnlich wie in Singapur schwül-heiße Temperaturen bis zu 40 Grad vor.
Das Taekwondo-Welt-Qualifikationsturnier für die Olympischen Jugendspiele 2014 fand am 20. und 21. März 2014 in Taipeh statt, der Hauptstadt der Insel Taiwan, die sich 1949 als von China unabhängig erklärt hat. Taiwan zählt zu den fünf am dichtesten bevölkerten Ländern der Erde. Das Klima auf Taiwan entspricht in etwa dem im Süden Europas mit langen heißen Sommern und milden Wintern. Taipeh, das sich in den letzten fünfzig Jahren zu einem der wichtigsten Wirtschaftszentren Asiens entwickelt hat, beherbergt ca. drei Millionen Einwohner. In der zusammen mit Neu-Taipeh gebildeten Metropolregion leben etwa sieben Millionen Menschen. Wie bei Olympischen Spielen üblich wurden auch bei der Jugend-Olympiade und dem zugehörigen Qualifikationsturnier nur halb so viele Gewichtsklassen wie bei anderen Turnieren ausgetragen. Die normalen Jugend-Gewichtsklassen, zehn weibliche und zehn männliche, wurden zu je fünf zusammengefasst. Allerdings durfte jedes Land maximal sechs Teilnehmer, drei Mädchen und drei Jungen, entsenden.
China war als Gastgeber der Jugend-Olympiade automatisch mit der vollen Anzahl von sechs Sportlern qualifiziert und musste deshalb nicht am Taiwaner Turnier teilnehmen. Pro Gewichtsklasse konnten sich in Taipeh acht Sportler qualifizieren. Es genügte also das Erreichen des Viertelfinales – außer in den Gewichtsklassen, die China für seine Starter in Anspruch nahm. Insgesamt nahmen 364 Sportler aus 100 Ländern teil.
Unter den sechs nominierten Sportlern der Deutschen Taekwondo Union (DTU) waren unsere Vereinsmitglieder Ekaterina Derev und Mehmet Yorulmaz. Begleitet von Jugend-Bundestrainer Marco Scheiterbauer und Physiotherapeut Armin Spies flogen die beiden zusammen mit den anderen deutschen Teilnehmern Giuliana Federici, Madeline Folgmann, Daniel Chiovetta und Hamza Adnan Karim bereits am 13. März, also eine Woche vor dem ersten Turniertag, auf die Pazifik-Insel vor der Südost-Küste Chinas, um sich an die Zeitverschiebung, das Essen und das Klima zu gewöhnen.
Einen Tag später, am Freitag, den 14. März, traten unsere Vereinsmitglieder Osayd Saqr und Orçun Öztürk die lange Reise nach Taiwan an. Osayd war der einzige Teilnehmer der Palästinensischen Autonomiegebiete, Orçun übernahm während dieses Turniers die Aufgaben des palästinensischen Nationaltrainers.
Nach zwei weiteren Tagen folgten dann am Sonntag in Begleitung der Disziplinbundestrainer Nurettin Yilmaz und Özer Güleç, des Sportdirektors Holger Wunderlich, des Teamarztes Dr. Frank Düren und der Physiotherapeutin Julia Rocholl (geb. Klauke) zwölf zusätzliche deutsche Sportler, darunter unser Vereinsmitglied Yunus Emre Koca.
Sie komplettierten zusammen mit den Startern bei der Olympia-Qualifikation das insgesamt 18-köpfige Team für die Teilnahme an der Jugend-Weltmeisterschaft, die an gleicher Stelle im direkten Anschluss an das Qualifikationsturnier vom 23. bis zum 26. März ausgetragen wurde.
Gekämpft wurde mit dem elektronischen Westensystem von Dae do (allerdings ohne den neuen elektronischen Kopfschutz) auf fünf oktogonalen Matten, von denen die mittlere erhöht angebracht war. Die Wettkämpfe wurden per Livestream im Internet übertragen.
Am ersten Tag des Turniers waren Daniel Chiovetta und Hamza Adnan Karim an der Reihe. Beide hatten jeweils sechs Kämpfe zugelost bekommen. Da die Chinesen keinen Startplatz in Daniels und Hamzas Gewichtsklassen beanspruchten, mussten sie also drei Kämpfe gewinnen, um sich zu qualifizieren. In seinem ersten Kampf gegen einen kolumbianischen Gegner setzte sich Daniel klar durch, sein zweiter Gegner aus Bhutan trat nicht an und auch seinen dritten Kampf konnte er gegen einen Vietnamesen knapp für sich entscheiden. Das Viertelfinale verlor er dann zwar klar gegen seinen Kontrahenten aus Kasachstan, mit drei Siegen hatte er aber das Ticket für die Jugend-Olympiade bereits in der Tasche.
Und auch Hamza konnte seine ersten drei Gegner aus Brasilien, Vietnam und Usbekistan deutlich schlagen, bevor er gegen einen Aserbaidschaner ausschied.
Für die DTU endete somit der erste Wettkampftag mit dem hervorragenden Ergebnis von zwei qualifizierten Sportlern.
Am zweiten Tag traten dann die restlichen vier Deutschen, Giuliana Federici, Madeline Folgmann, Ekaterina Derev und Mehmet Yorulmaz, sowie für die Palästinensischen Autonomiegebiete Osayd Saqr an.
Madeline wurden sechs Kämpfe zugelost. Sie setzte sich gegen ihre erste Gegnerin aus Korea klar durch und traf dann auf die Iranerin Kimia Alizadeh. Auch diese konnte sie, wenn auch äußerst knapp, schlagen. Im dritten und entscheidenden Kampf besiegte sie ihre indische Kontrahentin überdeutlich. Sie verlor danach gegen eine Belgierin, aber auch ihr reichten die drei Siege zur Qualifikation, da ihre Gewichtsklasse ebenfalls nicht von China beansprucht wurde. Da Giuliana vier Kämpfe zugelost bekommen hatte, musste sie lediglich einen Kampf gewinnen. Leider hatte sie es aber gleich im ersten Kampf mit der später erstplatzierten Thailänderin zu tun, die alle ihre Kämpfe überlegen gewann. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner wissen, dass dies gleichzeitig Glück im Unglück war, denn dadurch dass sie gegen die Gesamtsiegerin verloren hatte, wurde sie als Beste aus dem Achtelfinale auf Platz neun gewertet. Monate später durfte sie aufgrund des Ausfalls einer der acht vor ihr platzierten Sportlerinnen als Nachrückerin ebenfalls an den Olympischen Jugend-Spielen teilnehmen.
Kati hatte fünf Kämpfe zugelost bekommen, unterlag aber gleich ihrer ersten Gegnerin aus Puerto Rico. Mehmet musste sechsmal antreten, gewann knapp gegen einen Marokkaner und überlegen gegen einen Gegner aus Ecuador, bevor er dann aber im Achtelfinale mit einer 16:17 Niederlage gegen seinen mexikanischen Konkurrenten um Haaresbreite die Olympia-Qualifikation leider verpasste. Osayd der ebenfalls sechs Kämpfe zugelost bekommen hatte, schied nach einem knappen Sieg gegen einen Honduraner im zweiten Kampf gegen einen US-Amerikaner aus.
Auch wenn keiner der sechs deutschen Teilnehmer einen Medaillenplatz erreicht hatte, konnte die DTU mit insgesamt drei qualifizierten Sportlern sehr zufrieden sein. Ganz anders Taekwondo Özer: Nach Sümeyyes Teilnahmen 2008 in Peking und 2012 in London sowie Tahirs und Rabias Qualifikation für Singapur 2010 fanden zum ersten Mal wieder olympische Spiele ohne unsere Beteiligung statt.
Mit fünf für die Jugend-Olympiade qualifizierten Sportlern konnte der Gastgeber Taiwan am erfolgreichsten abschneiden. Vier Startplätze erkämpften sich die Athleten Ägyptens, Aserbaidschans, Belgiens, Mexikos und Russlands. Aus den Niederlanden, der Türkei und der Ukraine konnten sich wie aus Deutschland jeweils drei Teilnehmer qualifizieren. Acht Länder – Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Iran, Italien, Kolumbien, Kroatien und Thailand – holten sich das Teilnahmerecht für je zwei Sportler. Und weitere 21 Länder konnten sich wenigstens über einen Olympia-Teilnehmer freuen.
Die Olympischen Jugend-Spiele selbst verliefen für das deutsche Team ebenfalls sehr erfolgreich.
Die Taekwondo-Wettbewerbe wurden vom 17. bis zum 21. August ausgetragen. Da die Gesamtteilnehmerzahl auf 100 Sportler begrenzt war, hatten die meisten drei, einige vier Kämpfe zu bestreiten. Von den vier deutschen Teilnehmern, Giuliana Federici, Madeline Folgmann, Daniel Chiovetta und Hamza Adnan Karim, hatte nur Madeline vier Kämpfe zugelost bekommen. Die drei anderen konnten sich also bereits mit einem einzigen Sieg eine Medaille sichern.
Giuliana und Madeline konnten sich leider gegen ihre ersten Gegnerinnen aus Taiwan bzw. Serbien nicht durchsetzen.
Daniel aber gewann seinen ersten Kampf gegen einen Argentinier vorzeitig, bevor er danach gegen einen Taiwaner ausschied.
Und Hamza war sogar zweimal erfolgreich, gegen einen Marokkaner vorzeitig und gegen einen Iraner deutlich. Im Finale unterlag er dann wieder klar dem Aserbaidschaner, gegen den er bereits im Qualifikationsturnier ausgeschieden war. Die Länderwertung führte Taiwan mit zwei Gold‑, einer Silber- und einer Bronzemedaille an. Auf Platz zwei folgte der Iran mit zweimal Gold und den dritten Rang belegte Aserbaidschan mit einmal Gold und einmal Silber. Hamzas Silber- und Daniels Bronzemedaille stellten nicht nur das erfolgreiche Abschneiden der deutschen Mannschaft in Nanjing sicher, sie bescherten ihrem Verein KSC Leopard aus Nürnberg nach Servet Tazegüls Bronze in Peking 2008 und seinem Gold in London 2012 bereits die vierte olympische Medaille!
Wir gratulieren Giuliana und Madeline zur Teilnahme sowie Daniel und Hamza zum erfolgreichen Abschneiden bei den Olympischen Jugend-Spielen von Nanjing!
Qualifikationsturnier für die Olympischen Jugend-Spiele 2014 in Taipeh, Taiwan, am Donnerstag, 20.03.2014 und Freitag, 21.03.2014: | ||
Kimia Alizadeh (damals Iranisches Nationalteam) | JAw-55 | - |
Ekaterina Derev | JAw+63 | - |
Osayd Saqr (für die Palästinensischen Autonomiegebiete) | JAm-55 | - |
Mehmet Yorulmaz | JAm-63 | - |
(25.12.2014 Alfred Castaño)