Gold für Sümeyye, Silber für Rabia
Die Ägyptische Taekwondo Föderation ließ in diesem Jahr ihr Weltranglistenturnier von Alexandria, der 4,5 Millionen Einwohner zählenden Mittelmeer-Metropole am Nildelta, nach Luxor, der mit ca. 0,5 Millionen Einwohnern wesentlich kleineren Pharaonen-Stadt mitten in der Wüste, umziehen.
Obwohl das geschäftige Alexandria, nach Kairo die zweitgrößte Stadt Ägyptens und ein bedeutender Industriestandort, über dessen riesigen Hafen 80 % des ägyptischen Außenhandels abgewickelt werden, und das eher beschauliche, von Landwirtschaft und Einzelhandel geprägte Luxor kaum unterschiedlicher sein könnten, sind beide Städte in ihrer Bedeutung für den Tourismus, der wichtigsten Einnahmequelle des nordafrikanischen Landes, durchaus vergleichbar.
Alexandria entwickelte sich kurz nach seiner Gründung 331 v. Chr. durch Alexander den Großen zu einem der wichtigsten Zentren seines Weltreiches. Vor allem die Bibliothek von Alexandria, die größte und bedeutendste der Antike, an der zahlreiche berühmte Gelehrte erzogen wurden und wirkten, der Leuchtturm von Pharos, eines der sieben Weltwunder der Antike, und die unterwasserarchäologischen Funde im Hafen zeugen von seiner großartigen Vergangenheit. Die Blütezeit Alexandrias hielt auch während der römischen und der oströmisch-byzantinischen Herrschaft über Ägypten an. Erst mit der arabisch-islamischen Eroberung 641 n. Chr. und endgültig mit der Gründung Kairos ca. 300 Jahre später verlor Alexandria an Bedeutung.
Luxor dagegen ist berühmt für seine zahlreichen Bauten, gigantischen Tempel und riesigen Pharaonen-Statuen aus der Zeit des Mittleren und des Neuen Reiches der altägyptischen Hochkultur von ca. 2000 bis 1000 v. Chr. In und um Luxor befinden sich einige der wichtigsten archäologischen Stätten Ägyptens, darunter die Überreste der antiken Totenstadt Theben und das Tal der Könige mit diversen Tempeln und über 60 Pharaonen-Gräbern, unter anderem auch dem des Tutanchamun.
Doch während sich vor einigen Jahren noch täglich 10.000 Besucher durch die Gassen der Stadt drängelten, hat der Tourismus durch Terroranschläge, die Unruhen des sogenannten Arabischen Frühlings und die Unsicherheit nach der gewaltsamen Machtübernahme des Militärs herbe Rückschläge erlitten, die die Lebensgrundlage eines Großteils der Bevölkerung von Luxor bedrohen. So mag mit der „unvergesslichen Erfahrung”, die General Ahmed Fouly, Präsident der ägyptischen, arabischen und afrikanischen Taekwondo Föderationen, den teilnehmenden Sportlern sicher völlig zu Recht versprach, auch die Hoffnung verbunden sein, mit der erfolgreichen Durchführung solcher Sportereignisse in Luxor und dem damit verbundenen Zeichen der Normalität wieder mehr Aufmerksamkeit und Interesse auf das imposante Erbe der Pharaonen zu lenken.
2014 wurden also statt der 6. Alexandria’s International Open die 1. Luxor Open ausgetragen.
Ähnlich wie schon zuvor beim Turnier in Alexandria gab es auch bei den Luxor Open einige organisatorische Probleme und Terminverschiebungen. Besonders unerfreulich war die Einführung einer nicht unerheblichen Team-Meldegebühr zusätzlich zu den Startgebühren für die Sportler sowie die nachträgliche Streichung der Jugend-Kategorien, nachdem sich dafür nicht genug Teilnehmer angemeldet hatten. Letzteres erklärte zwar die anschließend erfolgte Verkürzung des ursprünglich vom 12.02. bis 16.02., also an fünf Tagen, geplanten Turniers auf drei Tage, aber nicht die für Sportler, die aus Kostengründen bereits frühzeitig ihre Flugtickets gebucht hatten, ziemlich ärgerliche Verschiebung um einen Tag nach hinten. Außerdem gab es seit dem ersten Erscheinen der Ausschreibung etwas Durcheinander mit dem WTF-Status der letztendlich doch noch als G2-Turnier eingestuften Luxor Open.
Insgesamt nahmen lediglich 240 Sportler aus 24 Ländern an den Luxor Open teil – für ein G2-Turnier eine dramatisch niedrige Beteiligung, die wohl nicht nur den hohen Kosten für den weiten Flug geschuldet war, sondern auch dem unglücklich gewählten Termin direkt vor den etablierten U.S. Open mit fast 1.600 Teilnehmern.
Die Deutsche Taekwondo Union (DTU) entschied sich wie die meisten europäischen Nationalverbände dazu, ein Team bei zwar ähnlich hohen Kosten aber deutlich besseren Medaillenchancen nach Ägypten statt in die USA zu schicken. Mit der anschließenden Teilnahme an den Fujairah Open konnte die Reise noch zu einer kleinen Nahost-Tour ausgeweitet werden.
Unter den acht dafür ausgewählten Top-Athleten, befanden sich unsere vier Vereinsmitglieder Sümeyye Manz, Anna-Lena Frömming, Rabia Güleç und Daniel Manz. Selbstverständlich war auch der amtierende Weltmeister Tahir Güleç nominiert, er musste aber auf Geheiß der Ärzte wegen des Bruches am Handgelenk, den er sich eine Woche zuvor bei den Trelleborg Open zugezogen hatte, zu Hause bleiben. Die weiteren vier Sportler im DTU-Spitzenteam für Luxor und Fudschaira waren Sergej Kolb, Levent Tuncat, Alexander Bachmann und Volker Wodzich.
Die acht Athleten wurden von den beiden Bundestrainern Aziz Acharki (Herren) und Carlos Esteves (Damen) sowie Sportdirektor Holger Wunderlich als Head of Team begleitet. Um die medizinischen Belange kümmerte sich Physiotherapeut Andreas Welz. Ursprünglich wollten auch unsere Vereinsmitglieder Rahaf, Osayd und Osama Saqr bei den Luxor Open antreten. Nachdem aber die Jugend-Kategorien ersatzlos gestrichen worden waren und deshalb seine Geschwister nicht mehr teilnehmen konnten, verzichtete auch Osama, der bei den Senioren gemeldet war, auf den Start. Team- und Einzelgebühren mussten nicht bezahlt werden, da die Änderungen des Veranstalters Anlass für den Rücktritt waren.
Am gleichen Wochenende wie die Luxor Open wurden auch die Deutschen Meisterschaften der Senioren ausgetragen. Wir mussten also in Gummersbach auf unsere fünf besten Sportler und sichere Medaillengaranten verzichten.
Am Samstag, dem ersten Wettkampftag des Turniers, kämpften Anna-Lena und Rabia.
Anna-Lena hatte vier Kämpfe, schied aber gleich im ersten gegen die Ungarin Edina Kotsis, Jugend-Europameisterin 2010 und EM-Zweite 2012, aus. Rabia musste fünfmal antreten und unterlag erst im Finale Marina Sumić aus Kroatien, Jugend-Europameisterin 2010, EM-Zweite 2012 und WM-Zweite 2011. Sie holte sich damit Silber und 12 Weltranglistenpunkte.
Am zweiten Tag waren dann Sümeyye und Daniel an der Reihe.
Sümeyye gewann alle ihre drei Kämpfe und konnte damit bereits so kurze Zeit nach ihrer Rückkehr auf die Wettkampffläche als dreifache Mutter an ihre alte Form anschließen und sich die Goldmedaille bei einem G2-Turnier sowie 20 Weltranglistenpunkte sichern.
Daniel hatte vier Kämpfe zugelost bekommen, gewann seinen ersten, schied dann aber im Viertelfinale gegen den später zweitplatzierten Lokalmatadoren Ghofran Zaki aus. Trotz der Enttäuschung über die verpasste Medaille, konnte Daniel immerhin 4,32 Weltranglistenpunkte für sich verbuchen.
Das Turnier wurde von einem tragischen Ereignis am zweiten Wettkampftag überschattet, das alle Freunde dieser vergleichsweise unfall- und verletzungsarmen Sportart erschütterte.
Seyithan Akbalık, ein 20-jähriger türkischer Wettkämpfer, der seine junge Karriere mit dem Gewinn des Jugend-Europameistertitels 2009 gekrönt hatte, danach aber aus gesundheitlichen Gründen einige Jahre pausieren musste, verstarb auf der Kampffläche an Herzversagen. Alle Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Die Nachricht ging sofort um die Welt und sorgte für Spekulationen und Gerüchte. Wie sich herausstellte, war sein Tod aber nicht die direkte Folge einer Aktion im Wettkampf. Stattdessen brach er ohne Fremdeinfluss unvermittelt zusammen. Seyithan hatte offenbar eine Vorerkrankung am Herzen, die zu seinem plötzlichen Herztod geführt hat. In Deutschland sterben daran jährlich um die 1.000 Menschen während des Ausübens einer Sportart. Dies vermag Seyithans Angehörige aber kaum in der Trauer über ihren Verlust zu trösten. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie. Trotz dieses schrecklichen Unglücksfalls beschlossen die Veranstalter, das Turnier fortzusetzen – eine Entscheidung, die ihnen sicherlich nicht leicht gefallen sein dürfte.
Weitere Medaillen für das DTU-Team holten Levent Tuncat (Gold), Alexander Bachmann und Volker Wodzich (jeweils Bronze).
Mit der sehr guten Bilanz von 2 x Gold, 1 x Silber und 2 x Bronze belegte die deutsche Mannschaft punktgleich mit der französischen Nationalauswahl den vierten Platz in der Vereinswertung, hinter den Briten, den ägyptischen Gastgebern und dem Team Aserbaidschans.
Außerdem konnte sich der Tunesier Yassine Trabelsi die Goldmedaille erkämpfen. Er trat wie drei weitere Sportler für den BSV Friedrichshafen an, einen der wenigen Vereine, die neben den Nationalteams an den Luxor Open teilnahmen. In der Länderwertung überholte Deutschland dank Yassines Medaille Aserbaidschan und nahm hinter Großbritannien und Ägypten den dritten Rang ein.
Herzlichen Glückwunsch an alle Medaillengewinner, vor allem an Sümeyye und Rabia!
Luxor Open 2014 in Luxor, Ägypten, von Samstag, 15.02.2014 bis Montag, 17.02.2014: | ||
Sümeyye Manz | D‑46 | 1. Platz |
Anna-Lena Frömming | D‑57 | - |
Rabia Güleç | D‑62 | 2. Platz |
Daniel Manz | H‑68 | - |
(03.05.2014 Alfred Castaño)