Campeonato de Castilla y León Absoluto y Cadete 2014
Am Samstag, den 08.02.2014, fanden im spanischen Zamora die Kastilisch-Leonischen Meisterschaften im Taekwondo statt.
Kastilien-León ist die größte der 17 spanischen Regionen, politisch ist es in neun Verwaltungseinheiten, sogenannte Provinzen, gegliedert. Das relativ dünn besiedelte spanische Kernland, aus dessen Vereinigung mit den Königreichen Aragón und Navarra sowie dem Abschluss der Reconquista, der Rückeroberung der unter maurischer Herrschaft stehenden Gebiete im Süden der iberischen Halbinsel, 1492 das heutige Spanien entstand, steht aber bezüglich der Bevölkerungszahl nur auf Platz sechs in Spanien. Verglichen mit Bayern ist Kastilien-León um ein Drittel größer, hat aber ganze 80% weniger Einwohner.
Zamora, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, liegt etwa 250 km nordwestlich von Madrid in ca. 50 km Entfernung zur portugiesischen Grenze. Die bereits in der Bronzezeit (ca. 2000 v. Chr.) besiedelte Stadt wurde bei der Eroberung durch die Mauren 981 zerstört aber von den christlichen Königen wieder aufgebaut. Zahlreiche Bauten aus dem Mittelalter sind erhalten geblieben, mit 24 romanischen Kirchen (in der Altstadt befinden sich noch weitere 14 Kirchenbauten aus anderen Stilepochen) hält Zamora einen Weltrekord. Aber auch in unserer modernen Zeit wurden hier Maßstäbe gesetzt: Bereits 2002 stellte Zamora seinen 65.000 Bürgern als erste Stadt weltweit einen flächendeckenden öffentlichen WLAN-Zugang zur Verfügung und wurde dafür mit dem „Nobel-Preis für Computertechnologie”, dem Computerworld Honors Program, ausgezeichnet. Frühere Preisträger waren unter anderem eBay und Amazon.
In der Provinz Zamora, nur 10 km vor der Grenze Portugals, liegt Sejas de Aliste, eine kleine etwa 100 Einwohner zählende Siedlung, deren Ursprünge bis auf die Eisenzeit zurückreichen. Aus dieser Ortschaft stammen die Familien von Casimiro Castaño Rodriguez und Felicitacion Manías Fernandez, den Großeltern väterlicherseits unseres Vereinsmitglieds Chamutal Castaño Manías. Da Chamutal sowohl die deutsche als auch die spanische Staatsbürgerschaft besitzt, kann sie grundsätzlich an den nationalen Meisterschaften beider Länder teilnehmen.
Um ihr den Start an der Spanischen Meisterschaft zu ermöglichen – eine Erfahrung, die nicht nur unter sportlichen Aspekten (seit den Olympischen Spielen 2012 ist Spanien die erfolgreichste Taekwondo-Nation der Welt), sondern auch in soziokultureller Hinsicht eine wertvolle Bereicherung darstellt – musste sie bei einem spanischen Verein angemeldet werden. Zu diesem Zweck hatten wir bereits Anfang 2013 in der Region Kastilien-León nach Taekwondo-Vereinen Ausschau gehalten und wurden sogar direkt in Zamora fündig. Nach einer ersten Kontaktaufnahme mit Jon García, dem Gründer und Cheftrainer des „Club Zamorano de Taekwondo” war schnell klar, dass Chamutal ihren spanischen Verein gefunden hatte. Infolge ihrer hartnäckigen Verletzung, die sie sich im April 2013 bei den Belgian Open zugezogen hatte, fiel die Teilnahme an der spanischen Meisterschaft 2013 zwar ins Wasser, aber die Weichen für das nächste Jahr waren gestellt.
Anders als bei der Spanischen Meisterschaft der Jugend A, zu der nur die regionalen Föderationen die Teilnehmer entsenden dürfen, ist bei der Spanischen Meisterschaft der Kadetten ebenso wie in Deutschland keine Qualifikation über regionale Meisterschaften erforderlich.
Trotzdem behielten wir die Internetseite der Kastilisch-Leonischen Taekwondo-Föderation im Auge, um zu sehen, wo die nächsten Kastilisch-Leonischen Meisterschaften stattfinden würden.
Als dort Anfang des Jahres endlich die Ankündigung des Turniers erschien, war da doch tatsächlich Zamora zu lesen. Der Austragungstermin fiel zwar mit den Trelleborg Open zusammen, wir hatten uns aber bereits Anfang Dezember entschlossen, nicht mit dem Verein nach Schweden zu reisen, sondern nur unsere für das DTU-Team nominierten Sportler im Jugend- und Senioren-Bereich antreten zu lassen. Zum einen sind die offenen schwedischen Meisterschaften extrem teuer – sowohl bezüglich der Reise, als auch bezüglich der Unterkunft – zum anderen ist das Turnier für die Kadetten aufgrund des Kopftrefferverbots nicht sonderlich attraktiv.
Eine Prüfung der Reisemöglichkeiten ergab, dass Flüge von Nürnberg nach Madrid einigermaßen günstig und Mietwagen in Madrid zu einem Spottpreis zu haben waren. Also beschlossen wir, die Gelegenheit wahrzunehmen, diese Turnierteilnahme mit einem Familienwiedersehen nach fünfeinhalb Jahren zu verbinden. Über ein Hotel mussten wir uns keine Gedanken machen, da mein Onkel in Zamora wohnt – wie sich herausstellte auch noch in unmittelbarer Nähe der Austragungshalle und unweit des Vereins. So sehr sich die Spanier einen Sport daraus zu machen scheinen, Ausschreibungen selbst zu solch wichtigen Turnieren wie den Spanish Open und umso mehr zu nationalen und regionalen Meisterschaften so spät wie nur irgendwie möglich zu veröffentlichen, so sehr sind sie auch unkompliziert und schnell bei den Formalitäten für die Anmeldung. In kürzester Zeit wurde Chamutals Start bei den Kastilisch-Leonischen Meisterschaften bestätigt und die Reise konnte gebucht werden.
Zuerst war geplant, am Freitagmorgen zu fliegen und am Sonntagabend zurückzukommen, wir fanden aber zum gleichen Preis einen Flug am frühen Donnerstagnachmittag und so ging es für Chamutal direkt nach Unterrichtsschluss zum Flughafen.
Nach einem kurzen Aufenthalt bei strahlendem Sonnenschein in Zürich kamen wir am Abend in Madrid an, wo wir bei strömendem Regen ins Mietauto umstiegen.
Gegen 23 Uhr wurden wir in Zamora von meinem Onkel und meiner Tante in die Arme geschlossen. Bei einem kleinen Abendessen war noch Gelegenheit, den Ablauf der nächsten Tage zu besprechen, danach ging es bald ins Bett.
Gegen 23 Uhr wurden wir in Zamora von meinem Onkel und meiner Tante in die Arme geschlossen. Bei einem kleinen Abendessen war noch Gelegenheit, den Ablauf der nächsten Tage zu besprechen, danach ging es bald ins Bett.
Dank der um einen halben Tag vorgezogenen Anreise stand der Freitag vollständig zur freien Verfügung. Den Vormittag verbrachten wir bei einem gemeinsamen Rundgang durch Zamora.
Dabei besichtigten wir einen gehörigen Anteil der vielen romanischen Kirchen, die Stierkampfarena, die alte römische Brücke, die noch an vielen Stellen erhaltene Stadtmauer
und zum Abschluss die eindrucksvolle Kathedrale mit ihrer außergewöhnlichen Kuppel im byzantinischen Stil.
Nach dem Mittagessen fuhren wir zusammen in das ca. 40 Minuten entfernt gelegene Sejas de Aliste und dessen Nachbarort Rábano de Aliste, um weitere Verwandte zu besuchen.
Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen der Familie mit vielen emotionalen Momenten, aber wegen der noch ausstehenden Waage ausnahmsweise ohne das in Spanien immer dazugehörende Dauer-Essen.
Am Abend fuhren wir zurück nach Zamora und besuchten das Spättraining beim „Club Zamorano de Taekwondo”. Dort lernten wir dann Jon und seine Frau Isis kennen.
Jon García Aguado nahm während seiner aktiven Zeit in der spanischen Nationalauswahl an den Olympischen Spielen von Athen (2004) und Peking (2008) teil und erkämpfte sich vier EM- und drei WM-Medaillen. In seinen erfolgreichsten Jahren 2005 und 2006 wurde er zweimal Europameister und einmal Vize-Weltmeister. Vor einigen Jahren hat Jon begonnen, sportlich etwas kürzer zu treten. Trotz seiner inzwischen 36 Jahre befindet er sich in seiner Gewichtsklasse aber immer noch unter den Top 25 der Weltrangliste und nahm deshalb an der letzten EM wie auch an der Grand Prix Premiere im vergangenen Jahr teil. Nach einigen Jahren in Mexiko kehrte er trotz des Angebotes, als Nationaltrainer verschiedener südamerikanischer Nationen zu arbeiten, nach Spanien zurück, um seinen eigenen Verein zu gründen. Hauptanlass war das ungewohnte südamerikanische Essen, wie seine mexikanische Frau Isis verriet. Während seiner Zeit in Mexiko knüpfte Jon außerdem Kontakte zum mexikanischen Kampfsportausrüster Protec und leitet nun dessen europäischen Ableger.
Die 28-jährige Isis Astrid Vargas López ist ebenfalls eine Taekwondo-Sportlerin und nahm für Mexiko an zwei Weltmeisterschaften, einer Studenten-Weltmeisterschaft und zwei Universiaden teil, stieß dort aber nie bis in die Medaillen-Ränge vor. Ihr größter Erfolg war der dritte Platz bei der Panamerikanischen Meisterschaft 2006.
Während der Hüne Jon in der zweitschwersten Gewichtsklasse der Herren ‑87 kg kämpft, tritt seine zierliche Ehefrau bei der leichtesten Damenklasse ‑46 kg an.
Beide nahmen uns mit offenen Armen auf und kümmerten sich bei ihrem ersten Training in einem spanischen Verein äußerst fürsorglich um Chamutal.
Am späten Abend holte uns dann ein alter Freund der Familie zum Abendessen in seinem Haus ab. Seine unverheiratete Mutter zog ihren Sohn Ricardo ohne Vater auf.
Damals wohnten sie direkt neben dem Haus meiner Großeltern, die sich um die in der damaligen Zeit quasi Ausgestoßenen kümmerten. Ricardo und mein Vater wuchsen als beste Freunde auf und er kam sogar für einige Jahre mit nach Deutschland, konnte sich aber anders als meine Eltern mit der deutschen Mentalität nicht anfreunden. Beim geselligen Abendessen, an dem seine Familie von seiner Mutter bis zu seiner Enkelin teilnahm, hatte Chamutal schwer damit zu tun, sich gegen die permanenten, typisch spanischen Versuche zu erwehren, sie mit allem, was aufgetischt wurde, vollzustopfen. Selbst die wiederholten Hinweise auf die Waage und das einzuhaltende Kampfgewicht halfen da wenig.
Am Samstagmorgen spazierten wir gemütlich zu Fuß zur Halle, die um 9 Uhr geöffnet wurde und viel Platz für die zahlreich erschienen Zuschauer bot.
Wie in Spanien üblich, war der Eintritt frei.
Im Anschluss an die Waage war Zeit, die anderen Vereinsmitglieder kennenzulernen und ihre interessierten Fragen zu beantworten. Auch hier wurden wir herzlich empfangen und fühlten uns bald wie unter Freunden.
Nach der Auslosung wurden im Aufwärmraum die Poollisten ausgehängt. Chamutal hatte nur einen Kampf und wie sich später herausstellte war es eine Art Freundschaftskampf, obwohl dies weder nachgefragt noch angegeben worden war.
Die Wettkämpfe wurden auf drei Kampfflächen mit den elektronischen Westen von Dae do ausgetragen. Die Kämpfe wurden nur vom Kampfrichter in der Mitte geleitet, Kopftreffer und Zusatzpunkte wurden entweder direkt von diesem oder vom Kampfrichtertisch aus angezeigt. Wie in Spanien üblich hatten die Kampfrichter die Lage bestens im Griff und das Turnier verlief friedlich und ohne die in Deutschland üblichen Streitereinen wegen umstrittener Entscheidungen.
Sowohl mein Onkel als auch Ricardo waren mit Familie zum Zuschauen gekommen.
Chamutal gewann ihren Kampf gegen ihre deutlich schwerere Gegnerin klar und ungefährdet mit 14:6. Im Anschluss wurden beide zu Kastilisch-Leonischen Meisterinnen erklärt, Chamutal in der Gewichtsklasse ‑47 kg, ihre Gegnerin in der Gewichtsklasse ‑55 kg. Da analog zur geringen Bevölkerungsdichte in Kastilien-León relativ wenige Teilnehmer angetreten waren, konnten die Wettkämpfe dem ehrgeizigen Zeitplan entsprechend bereits gegen 14 Uhr beendet werden. Zum Abschluss wurden dann die Preisverleihungen auf dem Siegertreppchen vorgenommen.
Mit neun Gold‑, einer Silber und vier Bronzemedaillen gewann Chamutals neuer spanischer Verein die Mannschaftswertung.
Nach dem Turnier gingen dann alle zum gemeinsamen Siegeressen in eine Fast-Food-Pizzeria. Dort gab es reichlich Gelegenheit, sich zu unterhalten und näher kennenzulernen.
Den Abend verbrachten wir dann wieder mit der Familie. Weitere Cousins und Cousinen waren aus dem ca. 70 km entfernten Benavente angereist, um uns wiederzusehen, und Ricardo stattete uns mit seiner Frau und seiner Enkelin Alexia einen Abschiedsbesuch ab.
Spät am Abend klingelte das Telefon und Jon kündigte an, dass er Chamutal noch ein Abschiedsgeschenk bringen wollte. Zu ihrer großen Freude stellte sich heraus, dass es ein Dobok seiner Marke Protec war.
Am nächsten Morgen hieß es gegen 9 Uhr Abschied nehmen. Bei der Rückfahrt nach Madrid bekamen wir dann in Spanien eher ungewohnte Wettererscheinungen zu sehen.
Es begann zu schneien und schließlich war die wenig befahrene Autobahn von einer dünnen weißen Schicht bedeckt, gegen die aber sofort Scharen von Streufahrzeugen rigoros vorgingen.
In Madrid blieben noch etwa eineinhalb Stunden Zeit für eine kleine Stadtrundfahrt mit Besichtigung der neoklassizistischen Almudena-Kathedrale und des Königspalastes aus dem 18. Jahrhundert, bevor es zum Flughafen und wie beim Hinflug über Zürich zurück nach Nürnberg ging.
Gegen 22 Uhr waren vier sehr schöne und erlebnisreiche, aber auch entspannte und erholsame Tage bei unserer spanischen Familie vorbei. Bis zum nächsten Besuch in Zamora werden aber dank Chamutals neuer sportlicher Heimat sicher nicht wieder fünf Jahre vergehen.
Fotoalbum vom Hinflug auf der Facebook-Seite von TaeKwonDo Özer
Fotoalbum von der Besichtigung von Zamora auf der Facebook-Seite von TaeKwonDo Özer
Fotoalbum vom Ausflug nach Sejas auf der Facebook-Seite von TaeKwonDo Özer
Fotoalbum vom Wettkampftag auf der Facebook-Seite von TaeKwonDo Özer
Kastilisch-Leonische Meisterschaft der Senioren und Kadetten 2014 in Zamora, Spanien, am Samstag, 08.02.2014: | ||
Chamutal Castaño | JBw-47 | 1. Platz |
(28.03.2014 Alfred Castaño)