Bronze für Rabia
Die Taekwondo-Europameisterschaft 2016 wurde vom 19. bis zum 22. Mai in Montreux ausgetragen.
Der malerisch am Genfersee gelegene Schweizer Nobel-Urlaubsort zählt gerade mal 26.000 Einwohner, ist aber vor allem dank seines jährlich stattfindenden hochkarätigen Jazz Festivals weltbekannt.
48 der 50 Mitgliedsstaaten der ETU waren mit insgesamt 380 Sportlern, darunter vier der acht Olympiasieger von London 2012, angereist, um zu versuchen, sich eine der 64 EM-Medaillen zu erkämpfen. Die Deutsche Taekwondo Union (DTU) war mit 14 Sportlern, also einem fast vollständig besetzten Team, vertreten.
Darunter befanden sich mit Anna-Lena Frömming, Rabia Güleç und Tahir Güleç drei Vereinsmitglieder von Taekwondo Özer. Auch vom KSC Leopard waren mit Roxana Nothaft, Abdullatif Sezgin und Hamza Adnan Karim drei Sportler für die EM nominiert worden. Vom dritten bayerischen Verein, dem TV Altmannstein, kamen mit Vanessa Körndl und Lorena Brandl zwei Teilnehmer. Zu den acht bayerischen Sportlern gesellten sich noch jeweils drei Athleten verschiedener Vereine aus Nordrhein-Westfalen (Shae-Rom Kim, Yanna Schneider und Levent Tuncat) sowie Baden-Württemberg (Giuliana Federici, Ewald Glesmann und Alexander Bachmann). Unbesetzt waren nur die beiden Herren-Gewichtsklassen ‑63 kg und +87 kg geblieben. Die DTU hatte also mit dem Routinier Levent Tuncat nur einen einzigen Vertreter der „alten Garde” mitgenommen und setzte ansonsten auf ein sehr junges Team, das aus drei Gruppen bestand: Sportlern, die sich auch im Seniorenbereich bereits an der Weltspitze etabliert haben (unser Spitzentrio Anna-Lena, Rabia und Tahir), Athleten, die sich bei internationalen Weltranglistenturnieren bewährt haben (Yanna Schneider und Lorena Brandl) sowie hoffnungsvollen Nachwuchssportlern.
Mit der Mannschaft waren außerdem mitgereist: Damen-Bundestrainer Carlos Esteves, Herren-Bundestrainer Aziz Acharki, Bundestrainer Bundeswehr Georg Streif, Disziplin-Bundestrainer Özer Güleç, Disziplin-Bundestrainer Dong-Eon Lee, Mannschaftsarzt Dr. Christian Bäuml, Physiotherapeut Andreas Welz, DTU-Präsident Stefan Klawiter, Sportdirektor Holger Wunderlich, Sportreferent Timo Weiss sowie Medien- und Pressereferent Patrick Upmann.
Da die Schweiz für die umliegenden Nationen Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland relativ schnell zu erreichen ist, waren auch viele offizielle und private Unterstützergruppen vor Ort, um Freunde und Vorbilder anzufeuern.
Obwohl von Nürnberg aus gesehen die Nähe zur Schweiz eher „gefühlt” als real ist, war auch eine Gruppe unserer Vereinsmitglieder sowie die Familie Güleç nach Montreux gefahren, um am Samstag Rabias und Tahirs Kämpfe live mitzuerleben und anschließend gleich wieder den über sieben Stunden langen Heimweg anzutreten.
An jedem der vier Tage des Turniers wurden auf vier oktogonalen Matten unter Einsatz der elektronischen Westen und Kopfschützer von Daedo die Wettkämpfe in zwei Gewichtsklassen der Damen und zwei Gewichtsklassen der Herren ausgetragen.
Am ersten Tag der EM konnte keiner der vier angetretenen deutschen Sportler in die Medaillenränge vordringen. Giuliana Federici unterlag im ersten Kampf der Kroatin Kristina Tomić. Shae-Rom Kim gewann ihren ersten Kampf, schied dann aber im Viertelfinale gegen die spätere Titelgewinnerin aus der Ukraine, Iryna Romoldanova, aus. Abdullatif Sezgin erreichte mit zwei Siegen ebenfalls das Viertelfinale, unterlag dort aber dem Russen Mikhail Artamonov. Levent Tuncat, die größte deutsche Medaillenhoffnung am ersten Wettkampftag, unterlag in seinem ersten Kampf, dem Achtelfinale, dem Briten Feyi Pearce, der ihn schon bei den German Open aus dem Rennen geworfen hatte.
Der zweite Tag der EM verlief dank Hamza Adnan Karim sehr erfolgreich für das deutsche Nationalteam.
Mit vier Siegen erreichte Hamza das Finale, in dem sein für die Türkei startender Vereinskamerad Servet Tazegül, der ebenfalls vier Kämpfe gewonnen hatte, auf ihn wartete. Das vereinsinterne Traumfinale des KSC Leopard konnte Servet knapp für sich entscheiden und so durfte der türkische Nationalheld seiner langen Liste an Erfolgen den fünften Europameister-Titel bei den Senioren hinzufügen.
Nach seinem EM-Titel bei der Jugend 2005 holte er also ab 2008 bei jeder Senioren-Europameisterschaft Gold. Servet stellte damit den fast 30 Jahre unerreicht gebliebenen Rekord des italienischen Altmeisters Geremia di Constanzo ein, der seine fünf EM-Titel bei den Herren allerdings nicht am Stück gewonnen hatte, sondern mit einer Bronze-Unterbrechung. Bei den Damen hält der Rekord inzwischen auch schon 25 Jahre. Die Spanierin Coral Bistuer konnte ebenfalls fünf EM-Titel für sich verbuchen (mit einer Unterbrechung durch eine erfolglose Teilnahme). Hamza bewies mit dem Gewinn der Silbermedaille bei seiner ersten Senioren-EM, dass auch er zur Riege der jungen Sportler gehört, die sich nach großen Erfolgen als Jugendliche (Hamza holte EM-Gold sowohl bei den Kadetten als auch bei der Jugend sowie EM-Bronze bei den Junioren) auch bei den Senioren sehr schnell in der Weltspitze etablieren konnten.
Die beiden anderen Deutschen, die am zweiten EM-Tag antraten, Roxana Nothaft und Anna-Lena Frömming, schieden beide leider bereits im ersten Kampf aus. Roxana gegen die Britin Charlie Maddock, Anna-Lena gegen die Finnin Suvi Mikkonen.
Disziplinbundestrainer Nurettin Yılmaz verpasste den Triumph seiner beiden Schützlinge, da er mit Haşim Çelik, Behinderten-Weltmeister 2013 und Behinderten-Europameister 2015, der seit diesem Jahr nicht mehr für die Türkei, sondern für Deutschland startet, zur ersten offenen Afrikanischen Para-Taekwondo-Meisterschaft, die für Afrikaner als G4- und für Nicht-Afrikaner als G2-Turnier eingestuft worden war, nach Kairo geflogen war. Haşim konnte sich dort bei seinem ersten Einsatz für Deutschland mit zwei gewonnenen Kämpfen den ersten Platz und 20 Weltranglistenpunkte sichern. Am dritten Tag der EM konnte sich Rabia Güleç mit zwei knappen Siegen (im zweiten Kampf gegen die Schweizer Titelverteidigerin Nina Kläy) eine Medaille sichern. Ihr Halbfinale gegen die an Nummer 1 gesetzte aktuelle Weltmeisterin İrem Yaman aus der Türkei verlor sie dann knapp und belegte somit wie bei der EM 2014 in Aserbaidschan den dritten Platz.
Bei Tahir Güleç lief es weniger gut. Er zog sich im ersten Kampf eine schmerzhafte Muskelverletzung zu, konnte diesen aber dennoch gewinnen – wenn auch denkbar knapp durch Computerentscheid. Im zweiten Kampf, seinem Viertelfinale, büßte er – nur sehr eingeschränkt kampffähig – in den letzten Sekunden seine knappe Führung durch umstrittene Verwarnungen ein und musste gegen den Polen Piotr Pazinski in die Golden-Point-Runde, die er dann leider verlor.
Vanessa Körndl ist nach einem Sieg im ersten Kampf anschließend im Viertelfinale gegen die an Nummer 1 gesetzte Französin Haby Niaré ausgeschieden. Ewald Glesmann hat seinen ersten Kampf gewonnen, danach aber das Achtelfinale verloren.
Am letzten Tag der EM schieden alle drei Deutschen, die an der Reihe waren, ohne Medaille aus. Yanna Schneider verlor ihren ersten Kampf, das Achtelfinale, gegen die Russin Arina Zhivotkova. Lorena Brandl konnte sich in ihrem ersten Kampf knapp durchsetzen, unterlag dann aber im Viertelfinale der Türkin Nafia Kuş in der Golden-Point-Runde. Alexander Bachmann, an Nummer 1 gesetzt, gewann seinen ersten Kampf knapp, unterlag dann aber im Viertelfinale dem Serben Draško Jovanov.
Mit Hamzas Silber- und Rabias Bronzemedaille fiel das Gesamtergebnis des DTU-Teams, gemessen an den letzen beiden Europameisterschaften (2014 einmal Silber und zweimal Bronze, 2012 dreimal Bronze), im Rahmen der Erwartungen aus. Die „fetten Jahre”, als das deutsche Team 2008 dreimal Gold, einmal Silber und dreimal Bronze sowie 2006 zweimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze verbuchen konnte, liegen allerdings schon lange zurück.
Die Nationenwertung gewann das britische Team mit dreimal Gold und einmal Bronze – dank dreier Titel bei den Damen (zwei Favoritensiege durch Jade Jones und Bianca Walkden und ein Überraschungserfolg durch einen „Nobody”, die 16-jährige Lauren Williams, die zu diesem Zeitpunkt an Nr. 166 der Weltrangliste zu finden war).
Platz zwei ging an die Türkei, die zwar eine Goldmedaille weniger, aber drei Silbermedaillen und zwei Bronzemedaillen verbuchen konnte. Russland belegte mit 2 x Gold, 1 x Silber und 6 x Bronze Platz drei, Belgien (2 x Gold und 2 x Bronze) Platz vier und Portugal (2 x Gold) Platz fünf.
Herzlichen Glückwunsch an die Medaillengewinner, insbesondere natürlich an Rabia!
Europameisterschaft 2016 in Montreux, Schweiz, von Donnerstag, 19.05.2016 bis Sonntag, 22.05.2016: | ||
Anna-Lena Frömming | D‑57 | - |
Rabia Güleç | D‑67 | 3. Platz |
Tahir Güleç | H‑80 | - |
(27.05.2016 Alfred Castaño)