Herzlichen Glückwunsch an Emre zu EM-Silber!
Nach vier Siegen musste sich unser Vereinsmitglied Emre Can Tepe bei der Kadetten-Europameisterschaft 2018 im spanischen Urlaubsresort Marina D’Or erst im Finale geschlagen geben und belegte somit den zweiten Platz.
Während er im Auftaktkampf noch recht nervös agierte, fand Emre im zweiten Kampf zu seiner Form. Als es danach im Viertelfinale um einen Medaillenplatz ging, lieferte er gegen Oğuzhan Kılıçkaya aus der Türkei, der als einer der Top-Favoriten gehandelt wurde, eine wahrhaft großartige Leistung ab. Beide Athleten schenkten sich nichts und kämpften auf sehr hohem Niveau. Gegen Ende wurde Emre – den Sieg vor Augen – aber noch leichtsinnig, ja geradezu übermütig. Nach einigen kalkulierten Strafpunkten zum Beispiel für das Verlassen der Matte, um Treffern zu entgehen, handelte er sich kurz vor Schluss aufgrund einer unangebrachten Geste, die seinen Gegner provozieren sollte, einen weiteren Gam-jeom ein. Zum Glück hatte er sich aber nicht verrechnet und sein Vorsprung reichte bis zum Schluss-„Gong“.
Das anschließende Halbfinale brachte er dann routiniert und überlegen nach Hause (allerdings brach er sich dabei, wie sich später herausstellte, einen Mittelhandknochen), um schließlich in einem rein deutschen Finale auf seinen Freund Phillip Davids zu treffen. Der grandiose und mitreißende Kampf blieb bis zuletzt extrem spannend. Er gipfelte in einem furiosen Endspurt, bei dem Emre drei Sekunden vor Schluss mit einem Punkt in Führung ging, bevor Phillip in der letzten Sekunde den Gegentreffer anbringen und sich somit mit dem hauchdünnen Vorsprung von nur einem Punkt bei einem Endstand von 26:27 den Titel sichern konnte. Da Emre den Sieg schon in Händen geglaubt hatte, folgte auf seinen kurzen Jubel tiefe Enttäuschung. Er benötigte einige Zeit, dieses Wechselbad der Gefühle zu verarbeiten, aber am nächsten Tag saßen die beiden Freunde wieder einträchtig nebeneinander auf den Zuschauerrängen.
Um bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft eine Medaille zu erkämpfen, muss am entscheidenden Tag alles stimmen. Bereits ein kleiner Infekt oder eine leichte Verletzung können verhindern, dass die Sportler die Früchte ihrer monatelangen harten Arbeit ernten dürfen. Herausragende Talente wie Roja sind zudem international bekannt und werden gründlich studiert, um Gegenmittel gegen ihren Kampfstil zu finden. Die daher benötigte Weiterentwicklung noch so bewährter Techniken und die als Konsequenz erforderliche Variabilität unter Wettkampfdruck stellen insbesondere so junge Sportler vor immense Herausforderungen. Roja ist ein Jahr jünger als Emre und hat daher im kommenden Jahr eine weitere Chance, auf Titeljagd bei den Kadetten zu gehen, während Emre 2019 versuchen muss, sich in der Jugend-(U18)-Klasse durchzusetzen.
Auch andere aufgrund ihrer Erfolge bei den Weltranglistenturnieren der aktuellen Saison als klare Medaillenanwärter anzusehende Deutsche konnten sich nicht durchsetzen. So zum Beispiel die neben Roja einzige weitere deutsche Titelverteidigerin, Nur Arayan, die bereits in ihrem ersten Kampf chancenlos ausschied. Oder Julia Voll und Masai Steinbach, für die überraschenderweise das Turnier ebenfalls bereits nach einem Kampf zu Ende war. Eine weitere Favoritin, Esmeralda Husovic, musste zwar auf den erhofften Titel verzichten, konnte aber immerhin Bronze holen – ebenso wie Beyza Nur Can, die vierte Medaillengewinnerin aus dem deutschen Nationalteam.
Neben Phillip, Emre, Esmeralda und Beyza sicherte sich noch eine weitere Deutsche einen Platz auf dem Siegertreppchen. Die Hamburgerin Nina Krüger, die sich außerhalb des Nationalteams über den nicht unumstrittenen President’s Cup für die Europameisterschaft in Spanien qualifiziert hatte und sich dort für alle ihre Mühen mit EM-Bronze belohnte, war bei dieser Europameisterschaft die erste Deutsche, die sich in die Medaillenränge vorkämpfte. Ihr Erfolg blieb aber von den offiziellen DTU-Institutionen weitgehend unbeachtet – durchaus charakteristisch für ihre bisherige Karriere, die sie trotz zahlreicher Platzierungen bei den G‑Turnieren der letzten beiden Jahre ebenso wie dem Gewinn der deutschen Meisterschaften 2017 und 2018 überraschenderweise (noch) nicht bis ins Nationalteam geführt hat.
Auf Grund dieser widrigen Umstände dürfte ihr Weg zum Gewinn einer EM-Medaille um einiges schwieriger und aufwändiger verlaufen sein als der der nominierten Sportler. Gerade für solche Fälle macht der President’s Cup durchaus Sinn, auch wenn er dem Grundgedanken einer EM oder WM, bei denen nur die offiziellen Vertreter der teilnehmenden Nationen antreten sollten, widerspricht. Dies missfällt verständlicherweise den für die Nominierung zuständigen Gremien, da ihre Entscheidungshoheit durch den Europäischen Verband zum Teil ausgehebelt wird. Während der President’s Cup aber für Sportler wie Nina eine wohlverdiente Chance bietet, sich mit den Besten ihres Kontinents zu messen, sowie aus sportlicher Sicht ein hochkarätiges Turnier darstellt und damit nicht im geringsten in Konflikt mit grundsätzlichen Idealen des Sports wie Fairness, Ehre und Würdigung von Leistung steht, sorgt ein anderes Turnier für peinliche und beschämende Auswüchse. Nicht nur Vereine, die keine Nationalsportler stellen, nutzen den aus rein kommerzieller Sicht selbstverständlich nachvollziehbaren Lock-Namen „Europäische Club-Meisterschaft“ zur unangemessenen und unredlichen Selbstdarstellung. Sogar anerkannte Trainer, die sich durch ihre erfolgreiche Arbeit Respekt verdient haben, vermarkten Platzierungen bei dem aus sportlicher Sicht als Regional-Wettbewerb von nicht im geringsten mit einer Europameisterschaft vergleichbaren Wert einzustufenden Turnier als EM-Platzierungen und sind sich nicht zu schade, diese mit Medaillen bei tatsächlichen Europameisterschaften im gleichen Atemzug zu nennen, wobei sie nicht zu erkennen scheinen, dass sie die echten EM-Erfolge ihrer Schützlinge damit nicht nur abwerten, sondern richtiggehend entwürdigen. Vor diesem Hintergrund kann Emres wiederholtes Erreichen von Platzierungen bei wahren Europameisterschaften nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir sind sehr stolz auf seine Entwicklung in sportlicher und menschlicher Hinsicht und sind davon überzeugt, dass er – ebenso wie Roja, auch wenn sie sich dieses Mal nicht über eine EM-Medaille freuen durfte – noch eine sehr erfolgreiche sportliche Karriere vor sich hat.
Herzlichen Glückwunsch an alle fünf deutschen EM-Medaillen-Gewinner!
(09.12.2018 Alfred Castaño)